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Brigitte Hieronimus

Zahn auf Zahn

Er quälte mich mit Leidenschaft. Trieb eklige Spiele mit mir, bis ich aufschrie. Ich konnte nicht länger an mich halten. Also ging ich. Nach drei Sitzungen war es überstanden. Der eitrige Zahn war heraus, die Entzündung abgeklungen. Heute sollen die Fäden gezogen werden.
Dummerweise hat mein Zahnarzt Urlaub und so muss ich zu seiner Vertretung. So ein Mist. Wo ich mich grad an den Mann gewöhnt hab, der mir so nah kommen darf, wie sonst nur mein Mann.
Wir sind ein unzertrennliches Paar und lieben uns wie am ersten Tag. Es gibt nur wenig was uns trennt. Mein Mann mag keine Nudeln, nur Kartoffeln. Es macht mir nichts aus, sie extra für ihn zu kochen. Er mag nicht in den Süden fahren, und ich kann mich mit dem Norden und seinen gemäßigten Temperaturen sehr gut arrangieren. Mein Mann mag keine Haustiere, und ich kann durchaus darauf verzichten. Er liebt Blasmusik und ich Klassik. Wenn er das Radio lauter stellt, weil seine Egerländer aufspielen, ziehe ich mich mit einem guten Buch zurück. Es gibt nie auch nur ein böses Wort zwischen uns. Streit ist uns fremd. Wir haben keine Kinder und Geld genug. Worüber sollten wir auch streiten? Wir sind uns einig, dass eine Rot-Grüne Regierung nichts als den Untergang bringt. Wir sind uns einig, dass Asylanten nicht länger die Gesetze unseres Rechtstaats ausnutzen dürfen. Sie sollen dahin gehen, wo ihre Heimat ist, und sie gefälligst aufbauen. Das haben wir ja schließlich auch getan, damals nach dem Krieg.
Ich öffne meinen Kleiderschrank. Welcher Rock zu welcher Bluse? Soll ich überhaupt einen Rock anziehen, wenn ich gleich auf dem Behandlungsstuhl liege? Was denkt sich so ein Arzt eigentlich, wenn eine Frau unter ihm liegt? Mir ist etwas schwindlig. Der Kreislauf macht mir wieder zu schaffen. Sollte ich meine Tabletten vielleicht doch nehmen? Würde meinem Hausarzt gerne einen Besuch abstatten. Einer der wenigen Männer, die mir wirklich zuhören. Passt die rote Bluse überhaupt zum weißen Rock? Jetzt schnell noch ein wenig Make up und besser keinen Lippenstift. Habe ich auch nichts vergessen?
"Bitte, entspannen Sie sich, Frau Kirsch, ich tu Ihnen bestimmt nicht weh. " Der Mann über mir schaut mir tief in die Augen. Sie sind von einem undurchdringlichen Grau mit winzigen, bernsteinfarbenen Sprenkeln. Ich schließe meine und höre die Assistentin mit den Geräten hantieren. Mit leiser Stimme gibt der Arzt seine Anweisungen. Ich öffne meinen Mund. Sein Atem streicht über meine Wange, trotz Mundschutz. Ich blinzle ein wenig. Der Mann konzentriert sich auf meine Wunde. Meine Zahnprothese habe ich ihm vorher übergeben. Gott sei Dank ist es nur eine kleine Brücke für die fehlenden hinteren Backenzähne. Es wäre mir sonst peinlich, bei diesem ansehnlichen Mann. Still tastet er sich voran. Mein Kiefer ist klein und schmal, um nicht zu sagen, sehr eng. Es kostet Mühe, die hinteren Zähne zu begutachten. Er beugt sich tiefer zu mir herunter. Ich kann seinen Achselschweiß riechen. "Tupfer, bitte! ". Die Assistentin reicht ihm, was er benötigt. Mit behutsamen Bewegungen löst er einen Faden nach dem anderen. "Sagen Sie, Frau Kirsch, ihre kontinuierlichen Nervenschmerzen an den Zähnen, können Sie sich erklären, woher sie kommen? " Ich schüttle energisch den Kopf. "Beißen Sie vielleicht zu oft sie Zähne zusammen? ". Mir wird schwindlig und ich hebe meine Hand, zum Zeichen, dass ich eine Pause benötige. Lächelnd reicht er mir ein Glas Wasser. "Wir sind gleich fertig. Schaffen Sie es noch? " Erschöpft lehne ich mich wieder zurück und denke an das Mittagessen, was ich gleich zubereiten muss. Heute soll es nur Stampfkartoffeln mit ausgelassener Butter und Zwiebeln geben, dazu ein Glas Buttermilch. So wie es meine Mutter immer für meinen Vater zubereitet hat.
Das Telefon in der Praxis klingelt. Die Assistentin eilt hinaus. Der schöne Mann über mir, entfernt die Klammern aus meinem Mund. "Bitte, warten Sie... ", er legt seine Hand auf meine bebende Schulter und greift in die Schale, wo die Prothese liegt und beugt sich wieder zu mir. Ganz nah. Seine Augen glimmen. Mir wird heiß. Seine Finger sind warm. Mit geschmeidigen Bewegungen schiebt er mir die Brücke in die Zahnreihe, drückt sie sanft gegen den Gaumen, und schaut mich dabei unverwandt an. Er hat lange schwarze Wimpern und feingeschwungene Augenbrauen. Während er zärtlich die Prothese ausrichtet, zieht sich meine Gebärmutter zusammen. Ich schließe meine Augen und fühle, wie er mir den Schlüpfer hochzieht. Mein Herz überschlägt sich. Ich öffne sie Augen. "Sonst setze ich mir die Brücke immer selbst ein!" entschuldige ich mich und fühle meine Schamröte. "Aber ich bitte Sie, das habe ich äußerst gerne für Sie getan." Dann fährt er den Stuhl hoch und ich verabschiede mich hastig.
Draußen vor der Tür beiße ich die Zähne aufeinander. Ich muss noch Kartoffeln kaufen. In einer halben Stunde kommt mein Mann.


Kartoffelbrei auf dreierlei Art

1kg Kartoffeln
6 Zwiebeln, 125g Butter und Buttermilch

Ein Stück Gorgonzola und 250g ausgelassener magerer Schinkenspeck

Olivenöl, eine Handvoll Salbei, 3 Zehen Knoblauch und ein Stück frischer Parmesankäse

Kartoffeln schälen und in Salzwasser kochen
abschütten und einen kleinen Rest Wasser zurückbehalten (wegen der Vitamine)
stampfen und mit viel Pfeffer und Muskatnuss würzen

1. Variante: In Ringe geschnittene Zwiebeln in der Butter kross braun braten und über den Kartoffelbrei geben, der vorher mit Butter und Buttermilch geschmeidig gerührt wurde.
2. Variante: in Würfel geschnittenen Speck in Butter auslassen, ein dickes Stück Gorgonzola dazu geben, schmelzen lassen und in den Kartoffelbrei rühren.
3. Variante: Frische Salbeiblätter und Knoblauchstifte in Olivenöl knusprig braten und über den Kartoffelbrei geben, der statt mit Milch und Butter, nur mit Olivenöl angereichert wird. Dazu frisch geriebener Parmesankäse.

Prima geeignet für Hungrige, die momentan keinen Biss haben.
Milch macht müde Glieder munter
Ein Glas Wein tut es aber auch.