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Wolfgang Sréter

Der große Artur oder ein perfekter Mord


Was für ein Mensch! Vor kaum acht Wochen ein erbarmungswürdiges Bündel mit zittrigen Händen und weichen Knien, verschwitzt und käsig. "Du fällst mir noch von der Theke", sagte ich und machte mir Sorgen, sein übersäuerter Magen und die pralle Leber könnten meinen Plan zunichte machen.

Und nun? Braungebrannt mit straffem Rücken, federnden Schritten und neuen Schuhen. So hatte mich Artur ´bei heinz´ erwartet. "Heute bin ich dran", meinte er und zwinkerte mir zu, aber ich lachte ihn aus, boxte ihn in die Rippen und bestellte wie immer zwei Kaffee mit doppeltem Kognak, auf meine Rechnung.

Artur zeigte allen die Karte, die ich ihm geschickt hatte: Lebe wild und gefährlich, Artur, denn ich wusste, er hatte nichts zu lachen. Um sechs Uhr raus aus den Federn, sieben Uhr Frühstück, acht Uhr Wassertreten, Anwendungen, Mittagessen, Spaziergang, und während ich schon ´bei heinz´ stand, lag er womöglich in Fango verpackt oder versuchte, schweißkalt Entspannung zu üben.

Mit großer Geste wies er die Zigarette zurück. "Geheilt", betonte er, "rauchen auf dem Klo, ich bin doch keine vierzehn mehr." Ich musste lachen, als er wie ein hohlwangiger Süchtling in die Knie ging und an einer imaginären Zigarette saugte, zog und saugte. Er war gut in Form, und ich bestellte noch einmal Kaffe mit Kognak.

"Die ersten Tage lag ich nur im Bett." Artur imitierte die Auftritte des Chefarztes. Aber was sage ich, er war der Chefarzt. Er schwebte von Bett zu Bett, tätschelte da eine Hand, fühlte dort den Puls, sah einem nachdenklich ins Auge, zog ein Ohr in die Länge und die Breite, um dann fast hineinzukriechen, klopfte ab, drückte auf den Bauch, ließ sich ein Krankenblatt reichen von einer jungen Schwester oder einem dieser unaufmerksamen Assistenten, die er den Schwanz des Chefs nannte. Er scherzte, war gütig, im selben Augenblick aber streng und unnachgiebig. Selbst Heinz lachte, und das will was heißen. Er gab einen Kaffee mit Kognak aus.

"Im Dienst", dröhnte Artur "ist es nicht halb so lustig." Er verriet uns, wie Erna immer wieder ihre tausend Kalorien nachbesserte, er zeigte uns, wie Sigi besorgt ein Muttermal auf dem fetten Wanst untersuchte, Herr und Frau Amtmann es schafften, ins Wasser zu kommen, ohne nass zu werden und Udo an seine Schnapsration kam – die sie dann brüderlich teilten. Als ich noch zwei Kaffee mit Kognak kommen ließ, hatte Artur die ganze Mannschaft ´bei heinz´ soweit gebracht, auf einem Fuß zu stehen wie indische Fakire. Er stand wie eine Eins. Er war wirklich gut in Form. Man musste ihn nicht mögen, aber er brachte den Laden zum Lachen.

So einer wie der Artur konnte alles. Er konnte das Rauchen abstellen, konnte direkt vom Bahnhof kommen und sofort ´bei heinz´ reinschaun, mit nagelneuen Schuhen. So einer wie er konnte galant sein, mit einer Nelke im Revers, und er konnte dich, mir nichts dir nichts, zum Gespött der Leute machen.

Plötzlich, noch ehe ich einen Kaffee mit Kognak nachschieben konnte, war ich der kleine Dicke mit den Schweißringen unter der Achsel, wenn der Chef durch die Gegend brüllte, der den Wolf mit nach Hause brachte vom Betriebsausflug und dann durch das Amt eierte, als hätte man ihm eine aufgepumpte Schweineblase zwischen die Knie gebunden, der schon nach fünf Kaffee mit Kognak unter dem Gejohle der Gäste einen Zettel mit Namen und Adresse von Artur umgehängt bekam und heimgeschickt wurde, während der große Artur den Hunderter springen ließ, den er bei mir gedrückt hatte.

Ich hasste den großen Artur, am liebsten hätte ich Gulasch aus ihm gemacht! Deshalb bestellte ich für ihn noch einmal Kaffee mit Kognak. Wie sein Gesicht aufblühte, wenn er sich in Schwung geredet hatte. Wie er schwitzte vor Begeisterung über die eigenen Witze. Wie er elegant den Ausfallschritt beim Tango mit dem Kurschatten beherrschte - und dann ausrutschte.

Ich half ihm auf die Beine und reichte ihm die Tasse. "Das wird dir gut tun", sagte ich bestimmt. Als Artur rot anlief im Gesicht und mit wachsbleichen Händen versuchte, die Tasse zu halten, als er die Augen aufriss und das Blut in die Augäpfel schoss, als die braune Flüssigkeit in seinen Kragen lief und seine Haut verbrühte, als er wankte und japste, nach vorne überfiel und mit dem Gesicht auf die Fließen klatschte, hörte ich ihn noch einmal flüstern:

"Heute bin ich dran!"



Szegediner Gulyás, wie es meine Tante Ilonka machte:

Dieses Gericht wird auch Széklergulasch genannt, denn der Dichter, Journalist und Archivar Jósef Székely (1825 – 1895) inspirierte – wie meine Tante sagte – zu diesem Gericht.

150 g Schweinefleisch
150 g Rindfleisch
300 g Zwiebeln
300 g Sauerkraut
100 g Schweineschmalz
0,4 l saure Sahne
Salz, Knoblauch, Kümmel, Lorbeerblatt und Wacholderbeeren
50:50 süßer und scharfer Paprika

Zwiebel und Knoblauch im Schweineschmalz schwach rösten. Den Paprika einstreuen und wenn er duftet, das Fleisch dazu geben. Wenn das Fleisch angebraten ist, das Kraut untermengen. Normalerweise hat das Kraut genug Flüssigkeit, bis das Gulasch fertig ist.

Die saure Sahne kommt erst am Tisch in die Schüssel.

Ein wunderbar scharfes Gericht für die kalte Jahreszeit, das aufgewärmt am nächsten Tag noch besser schmeckt, allerdings nicht mehr so viele Nährstoffe hat. Dazu reicht man in Ungarn Nockerl oder Eiergraupen. Man kann aber auch Spiralnudeln nehmen. Und – sagte meine Tante Ilonka immer – ein pikantes Salat, wobei die Wörter pikant und Salat feurig auf der ersten Silbe betont wurden.

Meine Tante Ilonka schwor auf Schweineschmalz. Man bekommt es in jedem Supermarkt. Ich benütze heute ein verträglicheres Fett und verringere die Meng an Zwiebeln, wohlwissend, dass meine Tante auch noch im Jenseits – oder wie man im Ungarischen sagt: über der großen Wiese - darüber den Kopf schüttelt.