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Wolfgang Sréter

Die Trattoria des Herrn Corrado


Lieber, guter Freund!

Nun hast du es schriftlich: Ja, ich habe gezittert, als ich meine Armbanduhr, den Ehering, die Krawattennadel und meine Brieftasche in den Schuhkarton fallen ließ. Um genau zu sein, sie wollten nicht die Brieftasche sondern nur Bargeld, Scheck-, und Kreditkarten. Jemand sicherte den Eingang, der um ein Uhr nachts wenig gefährdet war. Einer stand an der Theke, und der Dritte nahm unser Eigentum. Ich finde es lächerlich, wie mutig die Gäste plötzlich waren, als der Spuk vorüber war. Ich, für meinen Teil, hatte Angst, das will ich gerne zugeben.

Wir wurden mit dem Gesicht zur Wand gestellt, neben den Zigarettenautomaten, die Beine gespreizt, wie Du das immer im Fernsehen siehst. Auch die geschniegelten Ober und der ewig elegante Herr Corrado. Nicht ein Ohrring ist ihnen entgangen. Einer alten Dame wurde sogar das silberne Tablettendöschen mit Inhalt abgenommen. Am Ende mussten wir Männer die Gürtel lösen und die Hosen bis zu den Knöcheln fallen lassen. Du glaubst nicht, was da alles zum Vorschein kam. Mein Geschäftspartner - schlank wie ein Walfisch - trug unter dem Leinenanzug Nappaleder.

Anschließend sind alle über Corrado hergefallen. Als wenn der etwas dafür könnte. Den größten Schaden hat ja zweifellos er. "Wenn es aber stimmt", sagte einer der Gäste vom Stamme der Belegjäger, "dass er vor kurzem die Schutzgeldzahlungen eingestellt hat, dann tut er mir nur halb so leid. Jeder weiß, in dieser Stadt gibt es keine noch so kleine Pizzeria, die nicht gemolken wird. Ich finde, so etwas muss ein Restaurant dieser Güteklasse diskret regeln. Jeder Gast hat Anspruch darauf, nicht belästigt zu werden." Dieser Schlaumeier. Die Ober haben es mit dem üblichen Hochmut genommen.

Ich habe Corrado gesagt, er solle sich zunächst seine Leute einzeln vorknöpfen, vor allem das Küchenpersonal. Obwohl auch die dicken, schwarzen Geldbeutel der Ober und die Kasse leer waren, hat er alles auf seine Rechnung genommen und uns gebeten, die gestohlenen Sachen aufzulisten. Wenn ich nur im Entferntesten geahnt hätte, was dabei herauskommt, ich hätte gesagt: “Mein lieber, guter Corrado, gib´ einen Grappa aus und den Rest stellen wir der Vergessenheit anheim, basta!"

Selbstverständlich hat jeder im Lokal versucht, aus seinem Schaden ein Geschäft zu machen. Du kannst mir glauben, ich habe mich da noch vornehm zurückgehalten. Die Menschen sind wie von Gier getrieben, vor allem jene Sorte, die auf Kosten des Steuerzahlers in solchen Lokalitäten unterwegs ist. Wenn nicht alles anders gekommen wäre, hätte sich mein Kompagnon gleich ein Dutzend neuer Korsagen leisten können. Er hat versucht, so gut es ging, sein Hemd über das Leder zu halten, aber als er sich bückte, um die Hose hochzuziehen, sah ich das schmale mit Silberfäden durchsetzte Band zwischen seinen faltigen Backen.

Sicher haben einige gedacht, Corrado steckt hinter der ganzen Sache. Einer, der für Stierhoden in Rotwein mehr als dreizehn Euro nimmt, hält sich auch in anderer Art und Weise an seine Gäste. Im Anschluss an den Überfall habe ich erfahren, schon im letzten Winter soll ein Mantel von der Garderobe verschwunden sein.

Lieber, guter Freund, es war mir peinlich, auf welche Art und Weise alle Corrado nach dem Überfall duzten. Einer hat geschrieen: "Das gibt ein Nachspiel, du Pizzabäcker!" Wie wahr, fast muss ich lachen. Als er den Wirt am Revers packte und ihn würgte, dachte ich schon, ich müsste eingreifen. Wie Du aber weißt, neige ich nicht zu cholerischen Ausbrüchen. Das hat mir im Leben schon viel geholfen.

Der größte Feigling war ein Mann mit Dogge, der sich von seinem Hund zur Beruhigung in Abständen die Hand schlecken ließ. Anstatt das Tier von der Leine zu lassen und diesem Alptraum mit einem Biss ein Ende zu bereiten, sagte er dauernd: “Platz Cäsar, ganz ruhig. Platz. Ganz ruhig! Ruhig! Wir lassen uns nicht provozieren!" Und dieses Kalb von einem Köter legt sich auf den Boden, ohne auch nur einmal zu bellen.

Jeder hatte gerade seine Liste fertig gestellt, da stand der Polizist mit dem Schuhkarton in der Türe. Damit konnte wirklich niemand rechnen. Der Koch hatte Alarm geschlagen. Ein paar Straßen weiter waren die drei einer Streife über den Weg gelaufen. Von wegen Mafia: Alle aus dem Viertel, und noch keine achtzehn. Die Herren von der Polizei haben meines Erachtens die Situation überzogen. Ein Beamter verlas die Listen mit typischer Beamtensüffisanz, und wir mussten vortreten, um die Sachen abzuholen. Aus Brillanten, es wird dich nicht wundern lieber Freund, wurden einfache Glasklunker, aus Rolex Uhren Gebrauchsgegenstände. Mit Genugtuung beobachtete ich, wie mein Partner bis in die schweren Tränensäcke hinein rot anlief. Mit dem Bargeld war es noch schlimmer. Die Gäste haben sich um die Scheine geprügelt. Wenigstens das hätte der feine Wirt uns ersparen müssen.

Du kannst dir meinen Schaum vorm Mund vorstellen, als ein Gast die beiden Revolver fand. Hätte ich bemerkt, dass mir lediglich der Lauf eines Kinderspielzeugs in die Rippen gehalten wurde, glaube mir, ich hätte gehandelt. Und wie! Ich frage mich, wo hatte Corrado seine Augen? Man wird ihm nichts nachweisen können, aber mich sieht der gute Mann so schnell nicht wieder.

Wie unklug von ihm, seine Gäste in eine solche Situation zu bringen!


Tagliatelle à la Corrado

4 Portionen

300 g Egerlinge und Champions
100 g gelbe Rüben geraspelt
Olivenöl
Sahne
Salz, Pfeffer
Petersilie

500 g Tagliatelle, al dente gekocht

Die Pilze mit einem Küchentuch säubern und in dünne Scheiben schneiden. Das Olivenöl in eine Pfanne geben und zunächst die geraspelten gelben Rüben zugeben, nach einiger Zeit die Pilze. Die Pilze vorsichtig würzen, um den eigenen Geschmack zu erhalten. Alles zusammen garen, die grob gehackte Petersilie untermischen und am Ende mit Sahne übergießen – nicht in Sahne ertränken.

Die Nudeln kochen und alles zusammen in einer Schüssel heiß auf den Tisch bringen. Dazu frisch geriebener Parmesan.

Die geraspelten gelben Rüben geben dem Gericht eine Süße, die ich neben dem Geschmack von Pilzen sehr schätze. Noch besser ist es allerdings, wenn man zusätzlich Wildpilze beimischen kann. Man muss allerdings wissen, dass Wildpilze stark belastet sind. Die billigen Angebote aus Osteuropa sollte man wegen der Katastrophe von Tschernobyl völlig meiden, außer man sitzt mit Gästen um den Tisch, die das Zeitliche bald segnen.

Für Vegetarier sind Pilze ein gehaltvoller Teil der Ernährung und wenn es dazu noch einen österreichischen Grünen Veltliner gibt, ist die Freude am Leben noch größer.