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Stefanie Schulte Rolfes

Die andere Hälfte vom Brot


Komme gerade von einem Seminar: "Zweite Lebenshälfte!"
Bin noch ziemlich durcheinander.
Es ging gar nicht um den beginnenden, fröhlichen Reigen der reiferen Jahre, den man nun sorglos, gelassen Tanzen könnte.
Von den 21 Teilnehmern der Gruppe waren, bis auf neun, alle geschieden, der Rest lebte mehr oder weniger auf Sparflamme in partnerschaftlichem Duett. Teilweise allein erziehend mit 2-6 halbwüchsigen oder halberwachsenen Kindern. Die meisten lebten in Patchworkfamilien, ganz aktuell.

Erwachsene Seminarteilnehmer treffen sich also um ihr Leben zu reflektieren oder etwas zu beenden, was nie angefangen hat.

"Schnitt" nochmal die Szene bitte! Zweite Lebenshälfte die Erste kann anfangen!

Kamera:
Seminarleiter Herr Jochens von Düsternrode:

Die teilnehmenden Erwachsenen in dieser Runde sind das Beispiel eines Gesellschaftsschnittes der anscheinend "normativ" geworden ist."Normal" als Ausdruck hab ich jetzt extra gemieden, weil er immer so in Frage gestellt wird."Was und wer ist schon normal?"
Ist ja klar, normal ist nicht normal. Vielleicht spielen wir ein Drama oder eine Komödie oder eben das "Anders" sein in einer Welt die nicht normal ist.
Beginnen wir also mit der Erforschung der für uns wichtigsten und zentralen Frage, um damit einen klaren Orientierungspunkt und eine Richtung für unsere weitere Entwicklung zu schaffen. Sehen wir mit dieser Frage in unsere Vergangenheit und auf unsere mögliche Zukunft und entdecken dabei erhellende Parallelen und erhalten Impulse für unsere aktuelle Situation.

Blende:

Martha denkt:

Also, die Frauen hier z.b. machen das irgendwie zum Klischee. Ich meine, das mit dem ganzen "allein" fertig werden müssen und"allein" Entscheidungen treffen und sich endlich vom "Sauger" getrennt zu haben.
Sauger und Sauger sind aber zwei Paar ganz verschiedene "Schuhe".
Es sollte sich in der Mode einmal durchsetzen zwei Paar verschiedene Schuhe zu tragen, wohlgemerkt: die Größe bleibt.

Schnitt:

Also, alle finden, um das mal grob zu umreißen:
Sie werden ausgesaugt und fühlen sich als Fußabtreter und wollen sich endlich abnabeln, in der zweiten Lebenshälfte.
Die Vollendung des Lebenskreises hat also nichts mit einem persönlich zu tun, sondern mit dem partnerschaftlichen Dual, welches endlich als Hindernis entlarvt und überwunden werden sollte.

Blende:

Martha denkt:

Wahnsinnig stark und vorlaut und gewieft und (un)endlich allein, kommen mir jedenfalls die Teilnehmer in diesem Seminar zur Aussöhnung mit sich Selbst in der zweiten Lebenshälfte vor.
Ich bin demnach tatsächlich die Prinzessin auf der Bombe und kann meine heile Welt kaum ertragen. Sie ist ja auch brüchig.
Oder etwa nicht?
Am meisten beeindruckt mich, wie einige Männer so fahrig zu "Sonderlingen" werden.
Entweder wegen ihrer Einstellung oder so als Verlassene.
Ich rate jetzt einem Mann, der kümmerlich in der Ecke sitzt, zu kämpfen, und sich ein imaginäres Schwert oder einen kunstvollen Degen zu beschaffen, um seine Liebste zurück zu erobern.
Nein, er will ihr nicht hinterher rennen.
Weichei! Nix mit Samurei und der Kunst des eleganten Waffenschwingens.

Alle gereizt in Szene gesetzt und immer vor laufender Kamera.

Kamera:

Herr Jochens von Düsternrode:

"Schon mal von Thai-Chi gehört oder Feng-Shui?"
"
Auch nicht?"
"Macht nicht‘s"


Blende:

Martha denkt.

Macht wirklich nichts, hilft nur wenn man positiv Positiv denkt.
Immer schön positiv und dann dazu ein waschechtes Lächeln mit Blick durch die Wand die sich vor einem aufbaut, weil diese Dinge eben dem weisen Auge anderer Kontinente vorbehalten sind.
Dafür haben die eben keine Einbauküchen, mal positiv gedacht.

Kamera:

Herr Jochens von Düsternrode:
Impulsseminar "Restzeit"!!!
Nutzen Sie Ihre Chance und fragen Sie.
Wer oder was stört Sie?
Was möchten Sie ändern?

Zigarettenpause!!

Nachher geht es weiter mit
KEK und EPL-Gesprächstraining.
(Konstruktive Ehe und Kommunikation, Ein Partnerschaftliches Lernprogramm)

Blende:

Martha denkt:

Vielleicht sollte ich mich auch mal eben ein bisschen ent-zweien um mitreden zu können? So kontinental-klassisch diesen anderen Teil meines Lebens verlassen, der mir nie nah oder fern war, sondern für sich gesehen einfach anwesend. In einer Form die nicht kompatibel aber dennoch möglich ist.

Ja, ich werde die Bombe auf der ich sitze mal explodieren lassen und die Leichen im Keller zählen und dann fröhlich mitreden.
So federleicht im Rhythmus, wo man mit muss, heutzutage im multiplen Gewühl der Selbstverwirklichung.

Was hatten meine zwei bis zehn depressiven Sehnsuchtsgedanken hier eigentlich verloren? Wo war ich?
So ein Austausch in einem Seminar kann einen arg zurückwerfen in die meditative Position der Teilnahmslosigkeit. In etwa so, als sei man vor der Glotze eingeschlafen.

Schnitt:

Geschichten von Haarwurzelentzündungen in der Schamgegend und von Ex-partnern im Hospiz als Sterbefall.
Geschichten von Tangawäsche mit passendem BH, nur für einen Selbst, um sich "unten drunter" auch schön zu fühlen.
Geschichten von gehörgeschädigten Kindern und Tumoroperationen. Geschichten von Missionarseltern mit Allmachtsanspruch und Vollschaden.
Geschichten von den bösen und "zu" guten Partnern.
Geschichten von Liebe die beim Lieben stirbt und von einer Sehnsucht ohne Anspruch auf Erfüllung. Keine Erwartungen zu haben und doch zu viel zu Erwarten.
Geschichten von Therapeuten in die man sich verliebt hat und von Hunden die ins Bett dürfen.
Geschichten vom Rasierwasser als Eifersuchtsdrama und natürlich Geschichten über das neueste Anti-Aging-Programm.
Tragische Geschichten, leise Geschichten, Geschichten die keine sind, Geschichten vom Leben, vom Sterben, vom zu Viel und zu Wenig.

Blende:

Martha endlich zu Hause:

Und ich habe viel zu viel geraucht, obwohl ich in der zweiten Lebenshälfte damit aufhören wollte.
Wir sind doch alles Prototypen die Konkurs angemeldet haben.
Schickt uns in die Wüste, dort ist nichts schön und gut!


Und hier ein einfaches Kuchenrezept vom Blech auch wie Butterbrot essbar:


"Schaumburger Eierschnitte"

Diesen Blechkuchen aus Hefeteig mit einem Belag aus vermutlich Eiern, Zucker, Mandeln gibt es bei dem sympathischen Bäcker nebenan, aber ich habe mich nicht getraut ihn nach dem Rezept zu fragen.
Der sieht mal gut aus der Typ. Ist bestimmt schon Anfang 50, wie ich.
Der Kuchen schmeckt sehr locker und leicht und wird vom Prinzip her gemacht wie Butterkuchen, nur dass ein anderer Belag draufkommt.
Genau das ist es, der Belag. So knusprig weich, fast matschig, aber mit kleinen, knackigen Krumen darauf. Zwischendrin dieses schmantige leichte Gesülzt, was auf der Zunge zergeht.
Probiern Sie es einfach aus.
Dazu brauchen Sie kein Rezept, nur die Reife der zweiten Lebenshälfte.