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Presse : BUNTE: Marie Theres Kroetz Relin - Wieder bereit für Purzelbäume
Veröffentlicht von anja am 03.11.2005 21:06 (773 x gelesen)

Interview von Paul Sahner mit Marie Theres Kroetz Relin

Die meisten Dichter kennen das, besonders die Dramatiker: Wenn dir nichts mehr einfällt, greifst du von einer Flasche zur nächsten, immer gieriger schüttest du das Zeug in dich rein, tobst, schlägst um dich, der Kater danach macht dich zum Häufchen Elend, du versinkst in Depression.

Franz Xaver Kroetz, 59, einer der sprachgewaltigsten Dramatiker deutscher Sprache, schrieb darüber eine erschreckende Kurzgeschichte "Leerer Tag". Auszug: "Wenn er nicht schreiben konnte, soff er manchmal nicht, dann war er aber so depressiv, dass er wie ihr Großvater aussah. Wenn er aber mal schreiben konnte ohne zu saufen, oder was geschrieben hatte, von dem er wirklich dachte, dass es ihm gelungen war, also höchstens ein paar Tage in jedem Jahr, sah er wie ihr Mann aus: um einiges älter, aber wie ihr Mann."
Die wunderschöne Frau, die uns mit ihrem Südsee-grünen Augen direkt in die Seele guckt, heißt Marie Theres Kroetz-Relin, 39. Sie war 18 Jahre mit dem Dichterfürsten Kroetz verheiratet, der auch als "Baby Schimmerlos" in der TV-Serie "Kir Royal" überzeugte. Oben sehen wir eine glückliche Familie: Das Ehepaar Kroetz mit drei prächtigen Kindern. Da lachten sie noch.
Marie Theres betont, dass sie auch heute noch viel lacht, vielleicht sogar befreiter als früher. Sie hat die Scheidung eingereicht. Die Tochter der verstorbenen Film-Legende Maria Schell: "Mir geht's blendend und ihm auch. Er ist jetzt für zwei Wochen nach Teneriffa gedüst, um auf die Kinder aufzupassen. Er macht das gut. Lernt all das, was er früher nicht konnte. Putzen, Kochen, Bügeln, Einkaufen. Sogar seine Flugtickets kann er auf einmal ganz allein buchen."
Früher hatte er das auch gekonnt, aber er brauchte es nicht, weil seine Frau ihm alles abnahm. Und wenn er mal einen besonders kaputten Tag hatte, kroch er abends zu ihr ins Bett. Kroetz beschreibt das in seiner Story so: "Er streichelte sie ein bißchen, stöhnte, zog sie zu sich ran...denn nach einem anstrengenden Tag entspannte er sich am besten, wenn sie ihm einen..."
"Wenn ich Frauen diese Geschichte vorlese", sagt Marie Theres, "klatschen sie besonders an dieser Stelle begeistert. Sie kennen das..."
Marie Theres Relin sitzt an meinem Esstisch. Sie ist eine faszinierende Frau, katzenhaft in ihren Bewegungen, intensiv mit ihrem Blicken, jede Sekunde klar im Kopf, blitzschnell im Kontern.
Warum Scheidung? Lags an seinen Depressionen?
Wenn man selber künstlerisch begabt ist und sieht, wie sich jemand beim Schreiben quält, dann verzweifelt Alkohol in sich hineinschüttet, es aber immer schlimmer statt besser wird, dann machst du dich als Co-Abhängiger schuldig, wenn du den anderen in der Depression lässt und ihn bemitleidest, statt ihm aus dem Seelensumpf herauszureißen.

Kraft, die ihr zuletzt fehlte. Die Relin erzählt, dass sie "18 Jahre 24 Stunden am Tag begeistert Hausfrau, Mutter und Managerin zum Nulltarif war."
Dann, ein Tag im Oktober 2001. Sie erinnert sich: "Mein Mann und ich lagen im Bett und waren ausnahmsweise sehr lustig aufgelegt. Ich schilderte ihm in bunten Farben meinen Arbeits- pardon Hausfrauen-Alltag als Mutter von "nur" drei Kindern und meinen bitteren Zukunftsaussichten. Und wir lachten herzlich über meine lustige Geschichte von meiner Hetzerei durch den Tag und den manchmal vergeblichen Versuchen, meine vielen Berufe miteinander zu vereinen."
Als sie aus dem Bett aufstand und er liegen blieb, drohte sie: "Ich starte eine Hausfrauenrevolution"
Sie fühlte sich jetzt wie eine "Revoluzzer-Mixtur" aus Che Guervera, Karl Marx mit einem Spritzer Alice Schwarzer. Sie schrieb und sammelte Beiträge für das Buch "If Pigs could Fly" und nannte es "Die Hausfrauenrevolution."

Marie-Theres Relin, Sie mutierten zur Emanze und Ihr armer Mann bleibt auf der Strecke?
Ich liebe die Waffen einer Frau und setze meine erotischen Reize gern ein, allerdings verbunden mit Verstand. Im Bett haben der Franz und ich uns gegenseitig nichts vorzuwerfen gehabt, aber im Leben fühlte mich unterdrückt. Es eskalierte und kam zum Knall.

Wie das?
Ich hatte meine in einer Zwischenwelt lebende Mutter am Sterbebett öfters besucht und in ihrem wenigen lichten Momenten ein wunderbares Gespräch mit ihr geführt. Dann ihr Tod. Meine Gefühle liefen Amok, ich war dankbar, dass sie so friedlich ihre Zwischenwelt verlassen konnte, hatte aber Angst vor der "Treibjagd", die nun unweigerlich folgte. Darüber musste ich einen Text schreiben. Ich musste! Mein Mann aber wollte dies, verlangte jenes. Da habe ich zum allerersten Mal die Tür vor seiner Nase zugeknallt und gebrüllt: "Jetzt schreibe ich!"

Ein Befreiungsschlag?
Stimmt. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, dass es jetzt um mich geht, um mein verdammtes Leben.

Wie waren die Gespräche mit Ihrer sterbenden Mutter?
Ich hatte sie abgöttisch geliebt. Früher hatte sie mich oft in tiefer Nacht von der Disco abgeholt, weil sie Angst hatte, dass ich allein trampte. Dann ihre Todesstunde. In einem Dämmerzustand lag sie auf ihrem Bett. Plötzlich bekam sie lichte Momente, drückte mich, meinte, ich solle keine Angst haben, lachte sogar, bis wir beide weinen mussten. Sie schenkte mir dann ihren Schlangen-Ring, da ist meine ganze Kindheit drin. Als ich an ihrem Grab stand, wurde mir bewusst: Die nächste Mutter die stirbt, bist du.

Und jetzt wollen Sie leben?
Ja, ich möchte volle Pulle leben, gemischt mit voller Pulle Revolution, eingetaucht in eine Fülle von Kreativität, transformiert und lebendig gemacht, durch Tanz, Musik, Schreiberei, kurz jeder Ausdrucksform, die Sprachlosigkeit zu durchbrechen, bringt mich meinem Leben näher.
Ein neuer Mann würde da vermutlich stören?
Das weiß ich nicht. Doch möchte ich derzeit keine Tiefschläge mehr, sondern die Purzelbäume des Lebens genießen.

Mit freundlicher Genehmigung von BUNTE

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User Diskussion
MarieTheres
Geschrieben am: 04.11.2005 11:39  Aktualisiert: 04.11.2005 11:39
Webmaster
User seit: 03.10.2005
aus: Bayern - Teneriffa
Beiträge: 1399
 Re: BUNTE: Marie Theres Kroetz Relin - Wieder bereit für ...
Anmerkung:

Was in dem Bunte Artikel nicht erkennbar ist, dass es sich bei diesem Zitat:


"Wenn er nicht schreiben konnte, soff er manchmal nicht, dann war er aber so depressiv, dass er wie ihr Großvater aussah. Wenn er aber mal schreiben konnte ohne zu saufen, oder was geschrieben hatte, von dem er wirklich dachte, dass es ihm gelungen war, also höchstens ein paar Tage in jedem Jahr, sah er wie ihr Mann aus: um einiges älter, aber wie ihr Mann."

und diesem Zitat:

"Er streichelte sie ein bißchen, stöhnte, zog sie zu sich ran...denn nach einem anstrengenden Tag entspannte er sich am besten, wenn sie ihm einen..."

um Auszüge aus der Shortstory von Franz Xaver Kroetz „Leerer Tag“ erschienen in dem Buch „If pigs could fly- Die Hausfrauenrevolution“ – Piper Verlag, handelt,
sowie der Auszug meines Textes im gleichen Buch, hier zur Aufklärung das original Vorwort:

Hausfrauenrevolution.
Ein Schwein als Logo.
If pigs could fly - ein Buch über die Einsamkeit.
Und das Ganze auch noch mit einem Augenzwinkern!

Wie kommt frau auf so absurde Ideen? Das alles passt doch hinten und vorne nicht zusammen! Oder vielleicht doch?

Ich werde es Ihnen sagen: es passt durch Lachen!
Nun verstehen Sie sicher gar nichts mehr. Aber ist es nicht so? Humor ist, wenn man trotzdem lacht, gerade auch über sich selbst. Wenn man die subjektive Perspektive verlässt und objektiv auf das Hausfrauendasein herunter schielt.
Dabei gäbe Angesichts des Gesellschaftsbildes der Hausfrau sicher nichts zu lachen, im Gegenteil:
22 Millionen Hausfrauen in Deutschland, davon 15 Millionen „Nur-Hausfrauen“ bringen täglich als Multitalent die Ehefrau, Mutter, Geliebte, Muse, Putzfrau, Köchin, Managerin, Seelsorgerin, Krankenschwester, Gärtnerin, Chauffeurin, Veranstalterin von Familienfeiern, Erzieherin, Sekretärin, Ernährungsexpertin, Psychiaterin, Inneneinrichterin, Pädagogin, Vermittlungsagentin, Buchhalterin, Improvisationstalent, Lehrkraft unter einen Hut! Ihre mütterlichen Führungsqualitäten zeichnen sich durch hohe Flexibilität, Geduld, Verständnis, Zeit haben im richtigen Moment und viel Liebe geben aus!
Aber die Zukunftsaussichten für eine „Managerin zum Nulltarif“ sind trotzdem mager: 24-Stunden-Tag, kaum Freizeit, kein Gehalt, dürftige Altersvorsorgen und die beruflichen Wiedereinstiegs-Chancen gleich Null.
Und die Politiker? Die reden viel und tun wenig! Sie sprechen über unsere Kinder als dem „Humankapital“ und machen sich lieber Sorgen über die Kinderlosigkeit, statt die Kinderarmut zu bekämpfen. Ein grauenhafter Gedanke, wenn man bedenkt, dass jetzt schon etwa jedes zehnte Kind in Deutschland unter die Armutsgrenze fällt und vielleicht 150 Euro pro Monat zum Leben zur Verfügung hat.

Kritik übt und verträgt man am Besten, wenn sie in ein Lächeln verpackt ist. Große Komiker haben das allzu oft bewiesen.
Aber ich wollte Ihnen ja erzählen wie ich zur Hausfrauenrevolution gekommen bin:
Es muss im Oktober 2001 gewesen sein.
Mein Mann und ich lagen im Bett und waren ausnahmsweise sehr lustig aufgelegt. Ich schilderte ihm in bunten Farben meinen Arbeits-, pardon, Hausfrauen-Alltag als Mutter von „nur“ drei Kindern und meinen bitteren Zukunftsaussichten. Und wir lachten herzhaft über meine lustigen Geschichten von meiner Hetzerei durch den Tag und den manchmal vergeblichen Versuchen, meine vielen Berufe zu vereinen.
„Wo bleibt unsere gesellschaftliche Annerkennung?“, sagte ich zu ihm „Putze ich als Schauspielerin im Film realistisch das Klo, schmeißt man mir die Goldene Kamera nach, im wahren Leben dagegen ist diese Schweinearbeit eine Selbstverständlichkeit. Das ist ungerecht!“
„Bei mir geht’s Dir aber doch nicht schlecht!“ unterbrach er mich.
„Aber auch nicht gut!“ antwortete ich frech, mit einem Augenzwinkern.
„Stell Dir mal vor,“ begann ich erneut „1992 haben sich doch tatsächlich Männer hingesetzt, um auf der UN-Weltmenschenrechtskonferenz in Wien schriftlich zu bestätigen: FRAUEN SIND AUCH MENSCHEN!“
„Das war ein Fehler!“ sagte er trocken und grinste.
„Die Hausfrau als Mensch haben die bestimmt nicht gemeint! Aber wir Frauen sind auch selbst Schuld, verstehst Du? Was machen wir denn dagegen? Kapitulieren vor unserem Spiegelbild, vereinsamen am Herd und halten die Schnauze. Nicht mal das Wort Hausfrau trauen wir uns aussprechen...“
„Stimmt, aber das interessiert doch kein Schwein!“
„Sag ich doch, dass ich eine arme Sau bin. Schweine und Hausfrauen haben übrigens viel gemeinsam: beide werden unterschätzt, sind intelligent, sehr reinlich und müssen trotzdem in einem Saustall leben. Beide geraten in Gefangenschaft unter Stress, sind ein Synonym für das Glücks, aber auch für viel Negatives. Selbst im Sprachgebrauch passen alle Redewendungen übers Schwein auch auf die Hausfrau...“
„Jetzt krieg ich Hunger. Was essen wir morgen?“ fragte er.
„Italienischen Schweinebraten! Was sonst?“ lachte ich, genoss das verbale Ping-Pong und meine Phantasie galoppierte mit mir durch.
„Hey, Du nimmst mich ja gar nicht ernst. Aber warte! Das hab ich nicht alles umsonst gemacht. Ich befinde mich seit 15 Jahren im Ausbildungscamp – so wie... äh, wie Che Guevara...“
Ich sah mich sofort lebhaft als Che Guevara der Hausfrauen durch den Dschungel des Alltags kriechen, mit Kopftuch und Stern, nein Schwein,
im Militäranzug und Schrubber im Gürtel, als Waffe meinen scharfen Verstand und einen Putzlappen, um kämpferisch das verstaubte Bild der Hausfrau aufzupolieren.
„Ich starte eine Hausfrauenrevolution!“ beendete ich meine komischen Gedankengang und fragte ihn, „Weißt Du was If pigs could fly, bedeutet?“
„Wenn Schweine fliegen könnten.“
„Nein, ich meine sinngemäß.“
„Die Sau rauslassen!“
„Nein, es bedeutet das Unmögliche möglich machen! Du wirst schon noch sehen. Und irgendwann gibt es dann eine Homepage die sich www.hausfrauenrevolution.com nennt und...“
Meine Phantasie war wirklich nicht mehr zu stoppen, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich weder die geringste Ahnung von Computern noch vom Internet und das www war so weit entfernt wie das Nirvana.
„Also doch die Sau rauslassen! Aber jetzt bin ich müde. Träum mal schön weiter. Gut Nacht.“ sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Lippen
„Ja, die auch!“ dachte ich, schloss die Augen und machte mich auf in Richtung Hausfrauenrevolution.
Es war ein weiter Weg bis zum Anfang. Aber der Weg ist das Ziel - nicht nur ins Nirvana.


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Gruß

M.Th.



 

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