„Du gehörst mir!
Ich habe Dich geschaffen!
Ich kann mit Dir machen was ich will!“
Wo bist Du?
Schau!
Sieh, was aus Dir geworden!
Erkennst Du Dich, findest Du Dich wieder?
Wer warst Du, damals?
Ich finde Dich nicht.
Du fehlst mir.
War ich damals schon in Dir?
Was hat Dich zu mir gemacht?
Ich ging den Weg der Befreiung
Nicht nur, um die Freiheit zu finden,
sondern um dich zu finden
und auch mich selbst.
Er war schwer, der Weg; er ist es noch.
Wann bist Du Ich geworden?
Ich sehe Dich, das Kind.
Freude, Lachen, Tanzen –
die Welt umarmen.
Keine Schatten, keine Angst.
Wann wurde deine helle Welt so dunkel?
Der Schatten kroch langsam auf Dich zu
und hüllte dich ein.
Keine Sonne mehr, kein Lachen;
Nur Kälte und Angst.
Er war gewaltig, der Schatten.
Er hat Dich aufgesogen und sich in Dich hineingedrängt.
Seine Finger nahmen Besitz von Deiner Haut.
Hände lagen dort, wo sie am meisten erdrücken.
Der Schatten drang ganz in Dich hinein.
Er nahm Besitz von Dir und machte Dich leer.
Überall wo Du hinsehen wolltest
verdunkelte er Deinen Blick.
Die Luft, die Du einatmetest, schmeckte nach ihm.
Alle Deine Schritte hat er begleitet.
Er war überall:
Vor und hinter Dir
Über und unter Dir
und tief in Dir drin.
Er war DU.
Du strecktest Deine Hände aus
Um nicht in ihm zu ersticken.
Doch keiner zog Dich heraus.
Leise Schreie – niemand hörte hin.
„Du willst den Schatten zerstören?!
Aber dann musst Du Dich selbst zerstören!“
Töten.
Du versuchst es – es gibt ja so viele Wege.
Doch der Schatten lässt es nicht zu.
Du kämpfst nicht mehr, lässt alles geschehen.
Jahrelang schaust Du Dir von außen zu.
Du schaust Dich an und Du begreifst, Du gehörst Dir nicht.
Auch Dein Körper gehört ihm.
Du weißt, außer Dir bemerkt niemand den Schatten.
Du bist in seiner Hand.
Du hast keinen eigenen Willen.
Du bist das Kind des Schattens und die Geliebte.
Du siehst die Anderen leben und schaust von weitem zu.
Am Anfang, manchmal, warst Du neidisch.
Irgendwann hat es Dich nicht mehr berührt.
Wann wurdest Du ICH?
Irgendwann auf Deinem Schatten-Weg hast Du angefangen Dich zu lösen.
War es, als Dein Körper Dich nicht mehr ertragen konnte – und Du ihn?
Als die äußeren Schmerzen die inneren Schmerzen überragten?
Als Du den Köper heilen musstest, spürtest Du da Deine Seele?
Du spürtest Dich selbst.
Wolltest du wissen, wer das ist?
Du blicktest auf
und die Angst vor dem Schatten wich langsam von Dir.
Du hast Dich umgedreht und NEIN gesagt!
Dann gingst Du Deinen Weg.
Du fühltest Dich schuldig – doch nicht schuldiger als all die Jahre vorher.
Du kamst langsam auf mich zu.
Irgendwann, da waren wir EINS.
MANCHMAL NOCH, TIEF IN MIR DRIN,
DA HÖRE ICH DICH WEINEN.
UND NOCH TIEFER,
DA HÖRE ICH DEIN LACHEN.
DAS LACHEN DES KINDES,
DAS ICH NICHT MEHR FINDE.
DAS LACHEN DES KINDES,
DAS ICH EINMAL WAR.
© Ghita Cleri
User | Diskussion |
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Spirits | Geschrieben am: 03.02.2009 22:02 Aktualisiert: 04.02.2009 00:46 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: irgendwo in den unendlichen Weiten des WWWs Beiträge: 175 |
![]() Hallo Helga,
das Verdrängen ist u.U. ein lebensnotwendiger Mechanismus (kann da wahrlich ein Lied von singen) - nur - irgendwann rennt einem das Verdrängte hinterher, einfach weil der Mechanismus der Verdrängung ja nicht immer lebensnotwendig bleibt. Ein Weglaufen vor sich selber gibt es nicht und die Kiste am Verdrängen ist, dass dann das Verdrängte wesentlich heftiger ins Bewusstsein rutscht, als wenn das Ereignis zeitnah be/verarbeitet wird. Das zeigen auch Langzeitstudien, wenn nach traumatischen Erlebnissen zeitnah adäquate Hilfen angeboten und angenommen werden, besteht bei weitem die beste Aussicht darauf, das Ereignis gut zu be/verarbeiten. Bei verdrängten Erlebnissen besteht dagegen die Gefahr, dass sich Verhaltensmuster/Denkmuster/psyh. Störungen chronifizieren, denn eines haben verdrängte Inhalte immer inne - sie holen einen immer und immer wieder ein solange sie nicht be/verarbeitet sind. Und diese Flashbacks (wie Zeitmaschinen ins eigentliche Ereignis, dass dann erlebt wird, als ob es im Hier und Jetzt passiert) ist ja genau das, was einen grossen Teil des Leids ausmacht, weil diese völlig unkontrolliert (und vorallem völlig unpassend ![]() Die menschliche Psyche ist sicherlich darauf eingestellt, erst einmal das Überleben zu sichern und erklärt dann Ereignisse erst einmal als "nicht existent", jedoch ist die menschliche Psyche auch ziemlich "unbarmherzig" und schmeisst einen die verdrängten Inhalte regelrecht um die Ohren. Reagiert dann der Organismus (der Mensch) nicht darauf, zieht die Psyche sämtliche Register, um zu zeigen "hey, renn nicht weg, sondern schau!" - psychosomatische Erkrankungen sind bspw. solche "Register", aber auch psychische Erkrankungen wie Depression etc. Spätestens dann sollte sich dazu entschieden werden, dem "Leiden ein Ende zu machen" und sich eben den Schatten der Vergangeheit zu stellen ![]() lG Spirits |
ghic | Geschrieben am: 03.02.2009 22:01 Aktualisiert: 04.02.2009 00:46 |
![]() ![]() User seit: 18.01.2008 aus: Braunschweig Beiträge: 124 |
![]() Trauerarbeit ist so wichtig, ich habe es erfahren müssen.
Irgendwann löst sich der alte von dem neuen Weg, das ist der erste Schritt, der manchmal scheinbar ungewollt geschieht. Der neue freie Weg ist schwer, zurück gehen ist nicht mehr möglich. Wie lange es dauern wird, ist nicht vorhersehbar, vielleicht hört es nie auf. Nie hätte ich gedacht, dass auch trauern dazu gehört. Irgendwann traf erwischte sie mich, unbegreiflich. Doch wie heilsam sie schlussendlich ist, stellt sich erst nachher heraus. Früher dachte ich, trauern sei eine Charakterschwäche. Heute weiß ich, sie ist Grundlage für ein heiles Leben. |
Spirits | Geschrieben am: 03.02.2009 11:31 Aktualisiert: 03.02.2009 21:24 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: irgendwo in den unendlichen Weiten des WWWs Beiträge: 175 |
![]() Hai liebe Recono,
wer hat gesagt, dass die Entscheidung und das Tragen der daraus resultierenden Konsequenzen "einfach" ist, wobei doch schon die Entscheidung in Therapie zu gehen, eben eine Entscheidung "gegen das Leiden" ist, nämlich das Erlebte zu verarbeiten (sofern es bspw. eine geeignete (Trauma)Therapie ist ![]() Und natürlich muss man auch mit den Konsequenzen seiner Entscheidung leben - zum be/verarbeiten eines traumatischen Erlebnisses (egal ob sex./psych./phys. Gewalt oder anderen traumatischen Erfahrungen) gehört auch das emotionale Verarbeiten. Jede traumatische Erfahrung macht in der Situation selber Gefühle (bspw. Hilflosigkeit, Trauer, Schmerz, Ausgeliefertsein etc) und die müssen (leider) auch noch einmal er/durchlebt werden, damit mit dem traumatischen Erleben "abgeschlossen" werden kann. Das danach immer noch Gefühle da sind, ist natürlich auch klar, aber der Umgang ändert sich, es belastet nicht mehr in der Form, wie es vorher es getan hat - das "Schicksal" kann angenommen werden, ohne gleich jedesmal in eine Sinn/Lebenskrise zu geraten - ja, bis der Punkt kommt, sagen zu können "so what?!" Gerade das emotionale Verarbeiten der traumatischen Erfahrungen ist das, was die meisten Menschen scheuen, wenn sie traumatische Erlebnisse hatten, denn das ist der schwerste, kraftraubendste Weg überhaupt (vorallem nahezu "verrückt", da ganz bewusst in Kauf genommen wird, dass es einem auf diesem Weg noch mal so richtig sch**sse gehen kann), aber um einer wie auch immer gearteten Hölle heraus zu kommen, muss diese Hölle noch einmal durchlebt werden, denn nur so besteht die Möglichkeit, diese Hölle wirklich zu verlassen und ins Leben starten zu können. Ein ganz wichtiger Faktor dabei ist auch das Trauern - das Trauern um Vergangenes, das Trauern um Verluste, das Trauern um die eigene Person - frei nach Hermann Hesse's Stufen: Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden... Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde! in diesem Sinne - viele liebe Grüsse Spirits |
Gast | Geschrieben am: 03.02.2009 07:51 Aktualisiert: 03.02.2009 21:23 |
![]() spirits, du hast sicherlich Recht, wenn du sagst, man muss sich seiner Vergangenheit stellen. Ich für meinen Teil bin eine Meisterin im Verdrängen. Manchmal muss man einfach Verdrängen, um zumindest vorübergehend nicht um den Verstand zu kommen. Mit ein wenig Abstand kann ich mich dann auch Stellen. Ich glaube, dass das menschliche Gehirn zu beschaffen ist, dass es im richtigen Augenblick auf totale Verdrängung schaltet, um ein Verrückwerden zu vermeiden.
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Gast | Geschrieben am: 02.02.2009 18:44 Aktualisiert: 02.02.2009 22:16 |
![]() Ja, liebe Spirits, im Prinzip war mir das klar. Ich hadere nur etwas mit der Aussage..."Entscheidung". Das klingt beinahe so, als wäre es (nach Therapien und sonstigem support) so "einfach" einen Schalter im Kopf umzulegen...so ab jetzt lebe ich wieder...es ist zwar nicht vergessen, aber ich lass mich nicht unterkriegen. Was ja gut ist. Ich beziehe mich jetzt auch nicht auf sexuellen oder sonstigen Missbrauch, obwohl der Text sicher so gemeint ist. Es gibt ja auch viele Erlebnisse im Laufe seines Lebens, auf die die Aussage "Entscheidung" zutrifft.
Ich habe auch eine Entscheidung getroffen bezüglich eine Sache, die ich hier nicht ausbreiten möchte, merke aber, das mich die Situation trotzdem noch ärgert und im schlimmsten Fall total wütend macht. Und was mache ich jetzt? Offensichtlich muss man diese Situation - trotz Entscheidung - mit all seiner Emotionspalette durchleben, bis man an den Punkt kommt und locker mit den Achseln zucken kann und sich sagen kann "Was solls? Ist so wie es ist." |
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Spirits | Geschrieben am: 01.02.2009 23:19 Aktualisiert: 02.02.2009 11:39 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: irgendwo in den unendlichen Weiten des WWWs Beiträge: 175 |
![]() @ recono - der Dalai Lama meint damit doch nicht das Leiden in den entsprechenden Situationen, sondern vielmehr das Leben danach
![]() ![]() "Erfahrung ist nicht das, was einem zustößt. Erfahrung ist das, was man aus dem macht, was einem zustößt." @ Ghita - ich wünsche Dir auf Deinem Weg weiterhin alles Gute und viel Kraft - Danke für Deinen Text ![]() lG Spirits |
lunka | Geschrieben am: 31.01.2009 23:58 Aktualisiert: 01.02.2009 20:03 |
![]() ![]() User seit: 19.07.2007 aus: Beiträge: 1222 |
![]() Ghita,
das Gedicht berührt sehr. Als ich es las, dachte ich, der Protagonistin (oder dem Protagonisten) ist was sehr Schlimmes passiert, was ist schlimmer als Gewalt an Seele und Körper? Das Ende des Gedichtes macht Mut. ("Angst vor dem Schatten wich langsam von Dir." "Dann gingst Du Deinen Weg." ![]() Und gibt Hoffnung. Zwar findet die Protagonistin (oder der) das Kind nicht mehr, doch sie kann es tief in sich spüren (sogar das Lachen). D.h. es ist da, obwohl nichts so wie früher sein wird. |
Gast | Geschrieben am: 31.01.2009 13:06 Aktualisiert: 01.02.2009 20:01 |
![]() "Schmerzen, so sagte es der Dalai Lama einmal, Schmerzen sind unvermeidlich. Leiden hängt von der Entscheidung ab."
Tut mir leid, das ist mir zu banal. Ich denke schon, dass ich verstehe, was er damit meint und gerade deshalb..bewusst eine Entscheidung zu treffen..nicht mehr zu leiden..dazu gehört sehr viel mehr. Dahin muss man erstmal kommen. Und zwar ohne, dass einem "Weisheit" von jemandem um die Ohren gehauen wird, der als Kind aus seinem Elternhaus gerissen wurde. Ghita, wer von bestimmten Horrorsituationen in seinem Leben verschont geblieben ist, kann den Text auch nicht verstehen. Wer aber Erfahrungen - gleich welcher Art - gemacht hat, findet sich in dem Text garantiert wird. Stark. Starker Text. |
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manati | Geschrieben am: 30.01.2009 17:09 Aktualisiert: 30.01.2009 23:43 |
![]() ![]() User seit: 01.10.2006 aus: dem Ländle Beiträge: 4705 |
![]() Habe jetzt sehr lange überlegt, was und vor allem wie ich zu diesem Text schreiben könnte.
Obwohl - oder weil? - er mich sehr berührt. Es gibt leider sehr viele Menschen die ihr ICH, ihr wahres Selbst, unter einem Berg von Schatten verlieren. Hervorgerufen durch "äussere Umstände",Traumata wie Unfälle oder Krankheit, meist aber von anderen Personen, die die Herrschaft übernehmen. Die zwingen, befehlen, missbrauchen. Wie sich ein jeder daraus befreit kann verschieden sein - das Wichtigste ist jedoch: Niemals das Lachen vergessen! |
ghic | Geschrieben am: 30.01.2009 10:22 Aktualisiert: 30.01.2009 12:57 |
![]() ![]() User seit: 18.01.2008 aus: Braunschweig Beiträge: 124 |
![]() ich danke dir, Monika, bist du bisher die Einzige die den Text begriffen hat.
Er hat die Menschen befremdet, vielleicht auch, weil sie mit Mißbrauch, Mißhandlung und Gewalt nicht so konfrontiert wurden. Deshalb habe ich ihr Unverständnis auch nicht persönlich sonder einfach so hin- genommen. Vielen Dank für deine Worte und den wirklich guten Buchtipp! G. |
Gast | Geschrieben am: 30.01.2009 07:26 Aktualisiert: 30.01.2009 12:57 |
![]() MANCHMAL NOCH, TIEF IN MIR DRIN,
DA HÖRE ICH DICH WEINEN. UND NOCH TIEFER, DA HÖRE ICH DEIN LACHEN. DAS LACHEN DES KINDES, DAS ICH NICHT MEHR FINDE. DAS LACHEN DES KINDES, DAS ICH EINMAL WAR. Danke Ghita, du hast meinen Gemütszustand voll getroffen. Bei den oben noch mal zitierten Zeilen musste ich doch tatsächlich heulen. Das schafft so schnell keiner bei mir. Dein Talent spricht einfach für sich. liebe Grüße Helga ![]() |
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MonikaGe | Geschrieben am: 29.01.2009 13:07 Aktualisiert: 29.01.2009 23:10 |
![]() ![]() User seit: 23.09.2008 aus: Beiträge: 74 |
![]() Liebe Ghita,
als ich das las (danke, danke dafür!), dachte ich sofort an Pauline Frei, die Klientin einer meiner Kolleginnen. Dein Text schreit geradezu nach diesem Buchtipp: Frei, Pauline C. & Huber, Michaela (Hrsg.), „Leiden hängt von der Entscheidung ab - Gedichte & Texte zu Leben, Sterben und Heilwerden, Junfermann, 1. Auflage, 2006. Text: "Schmerzen, so sagte es der Dalai Lama einmal, Schmerzen sind unvermeidlich. Leiden hängt von der Entscheidung ab. Pauline C. Frei hat sich entschieden: für das Hinschauen, das Integrieren. Hat es sich gelohnt? Lesen Sie selbst." - Michaela Huber Dieses Buch enthält Gedichte, Texte und Bilder zum Leben, Sterben und Heilwerden. In zehn Kapiteln geordnet, mit jeweils einem einführenden Text von Michaela Huber versehen, finden sich Gedichte von Pauline C. Frei. Diese Texte decken ein weites Spektrum ab, beginnend beim Entdecken des Schreibens als Ausdrucksmöglichkeit über die Bewältigung des Alltags unter dem Vorzeichen einer schweren, unheilbaren Krankheit bis hin zu Themen wie Loslassen, Tod, Liebe, Mut und Hoffnung. "Mit diesem Buch bekomme ich die große Chance zu sagen: Trauma ist kein ewiges Stigma, das aussichtslos und chancenlos an einem haftet, wie etwas, das sich nie mehr ändert oder nie ändern lässt. Sondern es ist möglich, sich zu lösen, zu wachsen und vor allem frei zu sein. Nichts noch so Schlimmes kann einem Menschen für immer und ewig die eigene Würde und Kraft nehmen, sich zu befreien und frei zu leben. Alle, die unter Gewalt und ihren Folgen bzw. unter einer schweren Krankheit oder Schicksalsschlägen zu leiden haben, sollten nie vergessen: Freiheit ist wundervoll!" - Pauline C. Frei Mehr Text dazu hier: http://www.junfermann.de/details.php/p_id/353 Ja, Freiheit ist wundervoll – und Leben ist mehr als nur zu Überleben. Richtig? Herzlichst! Monika |