Eine Mama, drei Babys und ein Abenteuer
„Kommt, Mädels, wir gehen Schuhe kaufen!“ Was sich so logisch und nachvollziehbar liest – Mädels, Schuhe, kaufen, passt ja alles bestens zusammen – sollte mich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringen.
Denn die Mädels, die ich meinte, sind meine Töchter. Zu jenem Zeitpunkt waren die Zwillinge acht Wochen, die Große fast 18 Monate jung. Und dies sollte unsere erste Shoppingtour zu Viert werden. Natürlich dachte ich dabei nicht an mich, obwohl ich während der Spätschwangerschaft all meine alten Treter mit meinen Elefantenstampfern furchtbar ausgelatscht hatte. Aber was sind wir Mamas doch selbstlos und uneigennützig! Mir ging es nur um Amelies rasant wachsende Füßchen, die ihre Lauflernschuhe nach zwei Monaten schon fast sprengten. Außerdem: Babys brauchen nun mal täglich frische Luft, auch bei Dauerregen wie an jenem Vormittag. Und in dem Schuhparadies, in das ich fahren wollte, gab es angeblich gerade jetzt wirkliche Schnäppchen – konnte ich als Großfamilienmama mir das entgehen lassen? Nein!
„Kinder, ihr und die Schuhe, das wird der Beginn einer lebenslangen Liebe“, motivierte ich meinen leicht motzigen Nachwuchs (bei Regen sind meine Kinder immer leicht motzig). Leider dauerte das Ankleiden und Ins-Auto-Verfrachten des Trios trotzdem so lange wie immer – eine Stunde. Immerhin schrie auf der halbstündigen Fahrt nur ein Baby, was ich als gutes Omen wertete.
Und wir fanden sogar einen Parkplatz einen Steinwurf vorm Eingang entfernt!
„Drei Babys, wie süß! Natürlich passen wir auf die Kleinen auf, stellen Sie die Maxi-Cosis doch gleich hier vorne an der Kasse ab!“ Was für nette Verkäuferinnen, und das mitten in der Servicewüste Deutschland!
Voller Schwung und Elan, mit nur der Großen an der Hand machte ich mich auf zum Regal voller preisgünstiger Kleinkindtreter in Bonbonfarben, mit netten Blümchen und Herzchen verziert...mein Herz schlug sofort schneller. Doch Amelie murrte und jammerte und zappelte herum. Der Verkäuferin standen Schweißperlen auf der Stirn, bis wir endlich das erste Paar Sandalen an Amelies Füßchen hatten. „Die sind ihr leider zu weit“, hieß es dann und: „sie hat sehr schlanke Füße“. Das hieß auf Deutsch: unsere preisreduzierten Modelle passen Ihrem Schatz leider nicht. Die braucht die schweineteuren, extraschmalen.
„Alleine, alleine!“ Zwischen zwei Anproben entwischte uns das Kind. Wetzte die Gänge entlang und wir hinterher. Kaum hatten wir sie wieder eingefangen, brüllte es von der Kasse her.
„Ich glaube, die Eine hat Hunger“, meinte die Verkäuferin zaghaft. Ich zückte eins der vorsorglich eingepackten Fläschchen mit abgepumpter Muttermilch und steckte es Johanna ins aufgerissene Mäulchen. Sofort plärrte auch Pauline lautstark los. Auch sie bekam ein Fläschchen. Zwei Babys gleichzeitig zu stillen, traute ich mich in der Öffentlichkeit nämlich nicht – schließlich saß ich dabei nahezu oben ohne da!
Aus den Maxi-Cosis erklang gefräßiges Schmatzen. Ich atmete tief durch und pirschte mich, Amelie an der Hand, an die Damenschuhe heran. Noch ehe die erste Sandalette an meinem Fuß saß, hatte Amelie eine andere in ihrem Händchen und rannte los. „Alleine, alleine!“ war ihr Schlachtruf. „Nein, nein!“ meiner. Ich gewann den Kampf um den Schuh, Amelie verlor die Beherrschung und warf sich kreischend auf den Boden. Gerade in dem Moment betraten zwei weitere potentielle Kundinnen den Laden. Ich tat, als gehöre das Kind nicht zu mir und streifte mir Pumps über. Aber ach...
„Ich glaube, die Eine stinkt“, schallte es von der Kasse her. Ich nahm Amelie an die Hand, ging zur Kasse und fand Johanna in jenem Zustand vor, den alle frischgebackenen Mütter unterwegs besonders lieben: mit ausgelaufener Windel. Body, Strampler, Hemdchen, Strumpfhose, sogar die Schühchen, alle hatten etwas abbekommen – zum Glück handelte es sich um gestrickte Babyschühchen, nicht um solche aus dem Schuhparadies. Ich atmete nochmals tief durch, holte die Notfall-Tüte aus meinem Rucksack, zog saubere Ersatzkleidung heraus, pellte Johanna aus der Schmutzwäsche, packte die in die Tüte und kleidete Johanna neu an. Das nutzte Amelie aus, um sich zwei Schirme aus dem Schirmständer neben der Tür zu angeln und mit fröhlichem „alleine, alleine“ mal wieder davon zu rennen.
Amelie kaufte ich dann die ersten besten Schuhe, die halbwegs passten. Einmal Sandalen und einmal Halbschuhe in Größe 22 für schlappe 97 Euro. Die Verkäuferinnen halfen mir, mein Trio zum Auto zu tragen – ich glaube, die waren froh, uns loszusein. Und von wegen Dankbarkeit für so viel mütterlichen Einsatz: auf der Rückfahrt brüllten alle drei Mädchen um die Wette. Bis ich dazu kam, mir selbst neue Schuhe zuzulegen, ging übrigens noch über ein Jahr ins Land.
© Petra Plaum
User | Diskussion |
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Rinchen | Geschrieben am: 12.08.2006 00:07 Aktualisiert: 13.08.2006 12:28 |
![]() ![]() User seit: 02.11.2005 aus: Beiträge: 4727 |
![]() Seit einigen Tagen verstehe ich, von was Petra so eindrucksvoll und zum miterleben gut berichtet. Ich durfte Gast, bzw. Initiator sein bei dem Versuch wegen Regen für zwei junge Frauen Gummistiefel zu kaufen. Nach über einer Stunde zwischen der Freude, dass die Größen endlich für beide Damen passen, kam die Ernüchterung, dass einer die Farbe nicht gefiel - ja, da wollte die andere dann auch nicht mehr. Den Spaziergang am See haben wir dann trotzdem gemacht - mit Sandalen - geht alles wenn man will. Abenteuer Schuhkauf - jetzt kann ich ein klein wenig mitreden.
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Gast | Geschrieben am: 08.08.2006 14:51 Aktualisiert: 08.08.2006 15:56 |
![]() Hach ja, Petra, das kenne ich soooooo gut!!!!
Aber ich sage Dir, es ändert sich! Meine Töchter sind inzwischen 20, 17 und 14 Jahre alt und sie können wahre Schuh-Einkaufs-Orgien veranstalten. Da steht Muttern dann schon mal ziemlich genervt daneben ![]() Also, Kopf hoch....alles wird gut ![]() lg OmiHelene ![]() |
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Gast | Geschrieben am: 08.08.2006 08:17 Aktualisiert: 08.08.2006 15:55 |
![]() Schuhkaufen ist wohl immer was spezielles. Ich kann mich auch noch gut erinnern an eine Episode, Sohn 1 brauchte neue Schuhe (damals 2 Jahre alt). Als wir (zusammen mit Sohn 2, 2 Monate alt) endlich soweit waren, loszufahre, schlief Sohn 1 sofort im Auto ein. Ich hatte nun keine Lust, die ganze Tour abzublasen, mein Sohn hatte aber keine Lust aufzuwache. So hängte ich mir den Maxi-Cosi an den Arm und den Großen über die Schulter, der den ganzen Schuheinkauf eine halbe Stunde lang fest schlief, auch, als ich ihn probeweise auf die Sandalen stellte, um zu sehen, ob sie ihm denn wirklich passen. Dann bezahlte ich, packte ihn mir wieder über die Schulter und wir fuhren zurück.
Den festen Schlaf hat er immer noch (9 Jahre), aber ich könnte ihm heute wohl nicht mehr einfach Schuhe aussuchen, während er schläft! |
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Sabin | Geschrieben am: 08.08.2006 01:41 Aktualisiert: 08.08.2006 15:55 |
![]() ![]() User seit: 24.10.2005 aus: München Beiträge: 464 |
![]() Oh, Petra,
ich weiß wovon du berichtest ![]() Aus der eigenen Erfahrung: Kinderkleider(-schuhe) hersteller sind Verbrecher (Preis/Service/Leistung). Die Verkäufer übrigens erst recht. Eines der größten Defizite in unserer freien Marktwirtschaft. Angefangen beim Parkplatz. Du sprichst mir aus der Seele. Bussi Sabine ![]() |
Gast | Geschrieben am: 07.08.2006 10:47 Aktualisiert: 07.08.2006 23:57 |
![]() Ha, ja gut geschrieben Petra.
Ich bín das letzte mal meiner Familie einfach davongelaufen, schnurstracks rein in ein Schuhgeschäft und ran an die Sandalen! lg ursi |
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Gast | Geschrieben am: 06.08.2006 21:34 Aktualisiert: 06.08.2006 22:02 |
![]() Hallo Petra, keine Sorge, ich stehe immer noch hinten an.
Ich kann mich recono anschliessen, was den Geschmack der Kinder betrifft, wenn sie größer werden. Ich war letztens mit meiner Tochter in einem schönen Second-Hand. Guckte so rum, suchte nach eher Apartem, da kommt mein Kind mit einem goldenen Kleid mit überdimensionalen Puffärmeln und Rüschen. Entsetzt habe ich es bezahlt. Gottseidank, hat sie es nach einigen Tagen (nach dem sie mit dem Ding genügend rumflaniert hat) zu den "Verkleidungslumpen" gelegt. Jetzt trägt sie es nur wenn sie mit ihren Freundinnen Prinzessin spielt. Boah, hej. Bin ich erleichtert ![]() Eine süsse Geschichte von Dir. ![]() |
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Gast | Geschrieben am: 06.08.2006 02:08 Aktualisiert: 06.08.2006 17:44 |
![]() Mittlerweile hast du dich bestimmt daran gewoehnt, immer als letzte in der Familie etwas Neues zu bekommen
![]() Willkommen im Mutter-Paradies. Auch ich finde nie etwas im Angebot, schon gar keine Schuhe, weder fuer meinen Kleinen mit sehr schmalen Fuessen, noch fuer meine. Warte mal, bis deine Kinder alt genug sind, um einen eigenen Klamottengeschmack zu entwickeln, dann wird's so richtig lustig ![]() |
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Brigitta-B | Geschrieben am: 05.08.2006 22:35 Aktualisiert: 06.08.2006 17:44 |
![]() ![]() User seit: 23.10.2005 aus: Beiträge: 4761 |
![]() Nur wer sich selbst auf das Abenteuer "Einkauf mit Kleinkindern" einlassen "durfte", weiss, was es wirklich gedeutet - es ist einfach eine Erfahrung für sich, etwas ganz Spezielles.
Später im Leben kann man darüber lachen ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Brigitta-Barcelona |
Doppelherz | Geschrieben am: 05.08.2006 10:09 Aktualisiert: 06.08.2006 17:43 |
![]() ![]() User seit: 13.05.2006 aus: Beiträge: 184 |
![]() @petra, wenn das keine Lebensleistung ist, weiß ich es auch nicht.
![]() ![]() An meinem früheren Wohnort kannte ich eine Familie in ähnlicher Situation. Die ältere Tochter knapp 2 Jahre alt und dann wurden die Zwillingsmädchen geboren. Diese Familie lebte damals im dritten Stockwerk (ohne Aufzug) und wurde im ersten Lebensjahr der Zwillinge nur zu besonderen Anlässen gesichtet. Die Mutter hat mir später mal erzählt, dass sie in ihrer Verzweiflung, die Kinder und sich im Winter wie zum Ausflug angezogen hat und alle Fenster aufgerissen hat, damit die Kinder an die frische Luft kommen. Rein logistisch war es ihr allein nicht möglich, drei Kleinkinder gleichzeitig sicher nach unten zu bringen. Nacheinander runter bringen ging auch nicht, weil man noch keine von ihnen oben oder unten unbeaufsichtigt lassen konnte. "Sind sie nicht süüüüüß!!!???" ![]() Als ich später meine 3 Kinder zwischen 0 und 3 Jahren zu versorgen hatte, dachte ich in Zeiten aufkommender Verzweiflung an diese Familie. Mir ging es blendend!!!! Wir wohnten Parterre. ![]() LG und alles Gute ![]() |