
Petra Plaum - Meine Töchter schei... auf neue Schuhe
Datum 04.08.2006 23:05 | Kategorie: Texte
| Eine Mama, drei Babys und ein Abenteuer
„Kommt, Mädels, wir gehen Schuhe kaufen!“ Was sich so logisch und nachvollziehbar liest – Mädels, Schuhe, kaufen, passt ja alles bestens zusammen – sollte mich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringen. Denn die Mädels, die ich meinte, sind meine Töchter. Zu jenem Zeitpunkt waren die Zwillinge acht Wochen, die Große fast 18 Monate jung. Und dies sollte unsere erste Shoppingtour zu Viert werden. Natürlich dachte ich dabei nicht an mich, obwohl ich während der Spätschwangerschaft all meine alten Treter mit meinen Elefantenstampfern furchtbar ausgelatscht hatte. Aber was sind wir Mamas doch selbstlos und uneigennützig! Mir ging es nur um Amelies rasant wachsende Füßchen, die ihre Lauflernschuhe nach zwei Monaten schon fast sprengten. Außerdem: Babys brauchen nun mal täglich frische Luft, auch bei Dauerregen wie an jenem Vormittag. Und in dem Schuhparadies, in das ich fahren wollte, gab es angeblich gerade jetzt wirkliche Schnäppchen – konnte ich als Großfamilienmama mir das entgehen lassen? Nein! „Kinder, ihr und die Schuhe, das wird der Beginn einer lebenslangen Liebe“, motivierte ich meinen leicht motzigen Nachwuchs (bei Regen sind meine Kinder immer leicht motzig). Leider dauerte das Ankleiden und Ins-Auto-Verfrachten des Trios trotzdem so lange wie immer – eine Stunde. Immerhin schrie auf der halbstündigen Fahrt nur ein Baby, was ich als gutes Omen wertete. Und wir fanden sogar einen Parkplatz einen Steinwurf vorm Eingang entfernt! „Drei Babys, wie süß! Natürlich passen wir auf die Kleinen auf, stellen Sie die Maxi-Cosis doch gleich hier vorne an der Kasse ab!“ Was für nette Verkäuferinnen, und das mitten in der Servicewüste Deutschland! Voller Schwung und Elan, mit nur der Großen an der Hand machte ich mich auf zum Regal voller preisgünstiger Kleinkindtreter in Bonbonfarben, mit netten Blümchen und Herzchen verziert...mein Herz schlug sofort schneller. Doch Amelie murrte und jammerte und zappelte herum. Der Verkäuferin standen Schweißperlen auf der Stirn, bis wir endlich das erste Paar Sandalen an Amelies Füßchen hatten. „Die sind ihr leider zu weit“, hieß es dann und: „sie hat sehr schlanke Füße“. Das hieß auf Deutsch: unsere preisreduzierten Modelle passen Ihrem Schatz leider nicht. Die braucht die schweineteuren, extraschmalen. „Alleine, alleine!“ Zwischen zwei Anproben entwischte uns das Kind. Wetzte die Gänge entlang und wir hinterher. Kaum hatten wir sie wieder eingefangen, brüllte es von der Kasse her. „Ich glaube, die Eine hat Hunger“, meinte die Verkäuferin zaghaft. Ich zückte eins der vorsorglich eingepackten Fläschchen mit abgepumpter Muttermilch und steckte es Johanna ins aufgerissene Mäulchen. Sofort plärrte auch Pauline lautstark los. Auch sie bekam ein Fläschchen. Zwei Babys gleichzeitig zu stillen, traute ich mich in der Öffentlichkeit nämlich nicht – schließlich saß ich dabei nahezu oben ohne da! Aus den Maxi-Cosis erklang gefräßiges Schmatzen. Ich atmete tief durch und pirschte mich, Amelie an der Hand, an die Damenschuhe heran. Noch ehe die erste Sandalette an meinem Fuß saß, hatte Amelie eine andere in ihrem Händchen und rannte los. „Alleine, alleine!“ war ihr Schlachtruf. „Nein, nein!“ meiner. Ich gewann den Kampf um den Schuh, Amelie verlor die Beherrschung und warf sich kreischend auf den Boden. Gerade in dem Moment betraten zwei weitere potentielle Kundinnen den Laden. Ich tat, als gehöre das Kind nicht zu mir und streifte mir Pumps über. Aber ach... „Ich glaube, die Eine stinkt“, schallte es von der Kasse her. Ich nahm Amelie an die Hand, ging zur Kasse und fand Johanna in jenem Zustand vor, den alle frischgebackenen Mütter unterwegs besonders lieben: mit ausgelaufener Windel. Body, Strampler, Hemdchen, Strumpfhose, sogar die Schühchen, alle hatten etwas abbekommen – zum Glück handelte es sich um gestrickte Babyschühchen, nicht um solche aus dem Schuhparadies. Ich atmete nochmals tief durch, holte die Notfall-Tüte aus meinem Rucksack, zog saubere Ersatzkleidung heraus, pellte Johanna aus der Schmutzwäsche, packte die in die Tüte und kleidete Johanna neu an. Das nutzte Amelie aus, um sich zwei Schirme aus dem Schirmständer neben der Tür zu angeln und mit fröhlichem „alleine, alleine“ mal wieder davon zu rennen. Amelie kaufte ich dann die ersten besten Schuhe, die halbwegs passten. Einmal Sandalen und einmal Halbschuhe in Größe 22 für schlappe 97 Euro. Die Verkäuferinnen halfen mir, mein Trio zum Auto zu tragen – ich glaube, die waren froh, uns loszusein. Und von wegen Dankbarkeit für so viel mütterlichen Einsatz: auf der Rückfahrt brüllten alle drei Mädchen um die Wette. Bis ich dazu kam, mir selbst neue Schuhe zuzulegen, ging übrigens noch über ein Jahr ins Land.
© Petra Plaum
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