Ghita Cleri - Beziehung-(s)-weise

Datum 02.01.2009 14:49 | Kategorie: Texte

ALLEIN.
Es kam die Zeit in der ich glücklich war, endlich allein zu leben.
In der ich die Farbe meiner Wände selbst bestimmte.
In der ich die Bilder an die Wand hängte, dich ich mir raussuchte.
In der ich in dem Sofa saß das mir am bequemsten schien.
In der ich dann aß wann ich wollte.
In der ich das aß was ich wollte.
In der ich schlafen ging auch wenn ich nicht müde war
In der ich nicht schlafen ging sogar wenn ich müde war.
In der ich schweigen konnte wann immer ich wollte.
In der meine Wohnung wie ein Schlachtfeld aussah.
In der ich meine Wohnung um die Uhrzeit aufräumte wann ich wollte.
In der ich mein Bett so hinstellen konnte wie ich Lust hatte.
In der ich das zu jedem Zeitpunkt wieder ändern konnte.
In der die Farbe der Bettwäsche allein mir zu gefallen hatte.
In der ich alle Pflanzen entsorgen konnte die nicht blühen wollten.
In der ich die Vögel vorm Fenstern füttern konnte und
In der ich mir keine Gedanken um Vogeldreck machen musste.
In der ich die Musik hörte die mich allein erfüllte.
In der ich den Fernseher mit Büchern zubauen konnte.
In der ich sie erst wegnahm wenn ich mal wieder fern sah.
In der ich nachts von der Liebe träumte wie sie mich erfüllt.
In der ich tagsüber die Liebe vergessen konnte die mich nie erfüllte.
In der ich unentschuldigt weinen durfte.
In der ich unbegründet lostanzte.
In der ich schrie.
In der ich lachte.
In der ich träumte.

NICHT ALLEIN.
Dann tratst du in mein Leben.
Ich fragte mich ob dir das Weiß meiner Wände gefällt.
Mochtest du überhaupt das Bild von Judith mit Holofernes’ Haupt in der Faust?
Ich bot dir mein Sofa an.
Ich kochte Abendessen.
Fragte dich ob du Lachs magst.
Wartete auf dich um schlafen zu gehen
und begleitete dich ins Bett wenn du müde warst.
Die vielen Sofakissen habe ich weggepackt.
Meine Wohnung war immer aufgeräumt.
Ich kaufte ein Doppelbett
und es füllte mein kleines Schlafzimmer.
Du wolltest in roter Satin-Bettwäsche räkeln und ich räkelte mit.
Du stelltest dein Usambara-Veilchen auf mein Fensterbrett.
Ich verdrängte den Gedanken an die hungrigen Vögel draußen
weil du Vogeldreck verabscheust.
Ich lernte durch dich unverdauliche Musikrichtungen kennen.
Die Bücher vorm Fernseher verkaufte ich bei booklooker.
weil Sportfernsehen deine tägliche Dauerberieselung war.
Ich sehnte mich in schlaflosen Nächten nach erfüllender Liebe .
Tagsüber drängten sich Gedanken an nicht erfüllende Liebe auf.
Ich lernte Fassung zu bewahren und Traurigkeit zu unterdrücken.
Du fordertest mich auf, weniger durch die Wohnung zu hüpfen,
und nicht so laut zu sein.
Ich vergaß zu lachen.
Und wagte nicht mehr zu träumen.

FAZIT.
Ich habe dich rausgeschmissen.
Die Blumen auch.
Das alte Bett aus dem Keller geholt und das neue verschenkt.
Zehn Kilo Bücher vom Flohmarkt nach Hause geschleppt.
Essen schmeckt wieder.
Im Vibratoren-Katalog die drei schönsten Exemplare rausgesucht.
Die Satin-Bettwäsche in die Tiefen eines Schranks vergraben.
Bundesliga-Ergebnisse kommen aus dem Radio.
Der Fernseher verstaubt endgültig.
Endlich ein Vogelhaus gebastelt.
Aus den Alpträumen aufgewacht.

Mein Chaos begrüßt mich am Morgen
ich tanze, singe, fluche, weine.....
und ich begrüße endlich wieder
MEIN LEBEN!



© Ghita Cleri



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