
H. S.- Die Nicht-Spießerin
Datum 23.06.2008 13:00 | Kategorie: Texte
| Es war einst ein Weib, das war vielleicht schön, doch konnte man dies nicht auf Anhieb gleich seh’n. Der Po ihrer Hose hing schlabbrig hinab, den Bauchspeck dafür deckt’ der Pulli nur knapp. Was soll’s, sprach sie laut, ich mag mich nicht quälen, soll’n die andern von mir aus doch Speckrollen zählen. Was für mich wirklich zählt, ist der innere Wert, und ich will, dass man mich nur um des Willen ehrt.
Ich hab’ nicht viel Lust auf das Kämmen und Waschen, wer liebt, wird mich auch bisschen miefig vernaschen. Ihre Wohnung roch muffig und strotzte vor Dreck, doch auch das sah sie locker, genau wie beim Speck.
Was soll’s, sprach sie laut, ich mag mich nicht schinden, soll’n die andern bei mir doch ruhig Staubflocken finden. Was wirklich nur zählt, ist die innere Größe, auf Äußeres zu achten, empfind ich als Blöße.
Sie war voller Hohn, reimte Verse voll Spott, beschrieb darin Ordnung als spießig, bigott, und sie fand sogar Fans, eine Anhängerschar, der Sauberkeit ebenso fragwürdig war.
Was soll’s, sprach sie laut, lasst die Zeit uns doch nutzen, es gibt Bessres zu tun als das Pflegen und Putzen. Was wirklich nur zählt, ist das Leben an sich, das Spießergebaren … es langweilet mich!
Doch dann kam ein Mann, nein, ein Halbgott daher, und das Weib war gebannt und es liebte ihn sehr. Seine Augen so zärtlich, der Mund warm und fest, und sie sah seine Muskeln und erahnte den Rest.
Doch: Was soll’s, sprach der Mann, ich mag dich nicht leiden, vergiss es ganz schnell … das wird nix mit uns beiden. Was wirklich nur zählt, ist der Mensch insgesamt, und drum, Weib, bleib weg, ich nehm’ lieber die Hand.
Und das, was für dich eine Weltschauung ist, das nenne ich einfach nur riesigen Mist. Bist nicht schlauer als andre, sondern bist einfach faul, … da stand sie dann da mit weit offenem Maul!
© H. S.
|
|