Marie Theres Kroetz Relin - Muttern, zahlen bitte!

Datum 25.12.2005 21:35 | Kategorie: Texte

Heilig Abend ist vorbei, die glänzenden Augen Ihrer Kinder sind Muttern noch lebhaft im Gedächtnis. Sie gönnt sich nach dem Feiertags-Stress einen schönen Winterspaziergang und legt in einem Bistro eine Pause ein.
„2006. Merkwürdig. Zahlen haben mir nie viel bedeutet. In Mathematik war ich eine Null, aber trotzdem bestimmen Zahlen mein Leben.“ Sie nimmt einen Schluck heißen Kaffee und lässt ihren Gedanken freien Lauf. „Das war das erste Weihnachten ohne meine Mama.“ Sie seufzt. „Wie oft zähle oder besser erzähle ich am Jahresende von den Weihnachten meines Lebens. Und kurz darauf hoffe ich immer auf ein besonders gutes neues Jahr.“ Sie schmunzelt. „Dieses wird ein Besonderes: ein runder Geburtstag, ich werde vierzig. Die Mitte meines Lebens? Wie viele Geburtstage werde ich wohl noch zählen?“ Sie zündet sich eine Zigarette an. „Zigaretten zähl´ ich gar nicht erst. Ich rauche zuviel. Zahlen sind mir ein Rätsel, sie sind neutral und geben doch alles preis. Sie verbinden Erinnerungen, definieren, was man sich leisten kann, bringen Glück oder Pech. Irgendwie halten wir uns an Zahlen fest, von der Geburt bis zum Tod.“ Melancholisch hüpft sie in Gedanken durch die vielen „High-Lights“ ihres Lebens. „Hab´ ich vielleicht Angst vor der Mystik der Zahlen? Weil sie mein Leben verändern?“ Sie schüttelt den Kopf. „Nein, die Ungewissheit hat auch etwas Beruhigendes! Schließlich zählt doch nur der Moment.“ Sie lächelt wieder und drückt ihre Zigarette aus, zieht ihren Mantel an und geht. Erst an der Tür fällt ihr ein: Muttern, zahlen bitte!

© Marie Theres Kroetz Relin 2005- erschienen "Die Aktuelle" Heft Nr. 52




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