
Erika Weder- Es weihnachtet
Datum 11.12.2006 10:11 | Kategorie: Texte
| November, grau, trist, windig – ein Wetter, wie man es fürchtet nach einem heißen Sommer und einem sehr schönen Herbst. Es gibt kaum Farben, ab und zu ein gelbes Rapsfeld, Wiesen, die immer noch das Grün des Sommers konservieren konnten. Manche Bäume tragen gelbbraune Blätter, noch nicht abgeworfen, nicht kapituliert vor den kalten Ostwinden. In nicht mal sechs Wochen ist Weihnachten. In meiner kleinen Wohnung stehen schon vereinzelte Engerl, die liebe ich und würde sie am liebsten das ganze Jahr über stehen lassen. Schön langsam krame ich den Kitsch raus, von dem ich in der Weihnachtszeit nicht genug kriegen kann. Den großen Keramik - Nikolaus werde ich vor die Haustüre stellen, den schönen weihnachtlichen Kranz mit der silbernen Dekoration an die Tür hängen.
In der Kerzenfabrik habe ich kiloweise Kerzen gekauft, damit sie mir nur ja nicht ausgehen. Schleifenbänder habe ich jede Menge bestellt. Christsterne aus Seide, um Dekorationen zu fertigen. Ich überlege, in welcher Farbe ich in diesem Jahr meinen Tannenbaum schmücken soll. Er wird wahrscheinlich wieder rot-golden glänzen. Mit vielen goldenen Schleifen und rotem Mini-Spielzeug aus Holz, mit goldenen Kugeln und roten Christsternen.
Immer noch möchte ich einen Baum aufstellen, obwohl ich jetzt alleine lebe. Es ist das zweite Weihnachtsfest ohne meinen Mann. Meine Kinder haben alle eine eigene Familie und einen eigenen Christbaum, sie freuen sich nicht mehr, wenn ich die Tanne besonders schön geschmückt habe. Einen Blick auf meinen Baum, dann der Kommentar: „Ich habe meinen heuer in blau gemacht!“ Das war es. Früher sind vier Kinder mit glänzenden Augen vor dem Christbaum gestanden.
Stephanie, meine jüngste Tochter, möchte, dass ich den Heiligen Abend in ihrer Familie verbringe. Sohn Florian hat mich eingeladen, Weihnachten bei ihm und seiner Kerstin zu sein, die beiden wohnen im Schwarzwald.
Sie werden nicht verstehen, dass ich den Heiligen Abend zuhause sein möchte. Am liebsten mit vier Kindern, die in einem der Kinderzimmer auf das Glöckchen warten, mit dem das Christkind sein Kommen ankündigte. Die nach einem „Frohe Weihnachten!“ , einer Umarmung für jeden, einem staunenden Blick auf den sorgfältig geschmückten Tannenbaum im Kreis auf dem Boden sitzen und eine Schlacht beginnt, die endet in einem ungeheuren Wust von Geschenkpapier und einem Geschnatter: „Guck mal, was ich gekriegt habe!“ „ Und ich erst, schau mal!“
Ich werde es aushalten, am Heiligen Abend allein zu sein. Ich lasse mich nicht irgendwo hinschicken, um schlechte Gewissen zu beruhigen: „Die arme Mama! Sitzt ganz allein daheim!“
Bei mir läutet oft die ganze Woche das Telefon nicht.
© Erika Weder im November 2006
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