Regrets are the results
of poor decesions
and lost opportunities
(Notiz am schwarzen Brett
im Wake Centre von People in Need)
Auch am Ende des Sommers kann im Süden Namibias das Thermometer noch auf 38 Grad Celsius im Schatten klettern. Es hat viel zu wenig geregnet in diesem Jahr, die Menschen leiden unter Trockenheit und Staub. Kudus und Springböcke verenden, weil die Strecken zwischen Wasserstellen und Weidegründen zu weit sind und die Farmer müssen Wasser aus gut hundertfünfzig Metern Tiefe an die Oberfläche pumpen.
„Hasi“, tönt es neben mir, „warte doch mal“. Uff, Glück gehabt, ich bin gar nicht gemeint. Der krawattierte Mann, der da so eilig an mir vorbei läuft, hat nach ein paar Schritten Hasi erreicht und legt offensichtlich erleichtert seinen Arm um ihre Schultern. „Wo bleibst du denn, Prinzi?“ Wo wohl, er hätte fast seine Nase durchs Schaufenster eines Modelleisenbahn-Geschäfts gedrückt.
„Stell dir vor, was ich eben im Radio gehört hab:“ sagt Muttern zu Teenie. „Vier Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren haben knapp ein Jahr lang ganz allein in einer völlig verdreckten Wohnung gelebt. Mitten in Berlin!
Familienarbeit ist ein Fundament unserer Gesellschaft, darüber muss man nicht mehr diskutieren. Auch nicht darüber, dass diese Arbeit zu wenig anerkannt wird – von Politik, Gesellschaft, dem eigenen Mann, ganz zu schweigen von den undankbaren Sprösslingen. Man muss es aber immer wieder sagen, auf die Gefahr hin, als frustiert abgestempelt zu werden.
Ich stehe vor meinem Kleiderschrank. „Eigentlich habe ich gar nichts anzuziehen für einen Urlaub...“ Hmmm. Dann korrigiere ich mich selbst: „Du fährst doch nicht ins Luxushotel, sondern in ein Ferienhäuschen in Ungarn. Du willst in die Weinberge, spazieren gehen, Ruhe genießen, mit Elke ein paar gemütliche Tage verbringen – wozu brauchst da neue Klamotten? Also konzentrier dich!“
Ich träumte, ich wäre eine andere. Eine Künstlerin würde ich sein, nicht zu jung, nicht zu alt, im reifsten Alter und mit besten Formen. Mein Name wäre Anuschka, ich stammte von den schönen Zigeunern des Mittelalters ab, rot und lang schimmerten meine Haare und mein glänzendes Gesicht wäre liebreizend und voll sinnlicher Eindrücke.
„Zwei solche Meldungen an einem Tag!“ Muttern wettert über der Tageszeitung: „Nummer eins: Die Kinderarmut wächst! 2006 lebten in Deutschland 1,9 Millionen Kinder unter 15 Jahren von Sozialgeld in einer Hartz-IV-Bedarfs-Gemeinschaft! Und innerhalb eines Jahres ist diese Zahl um mehr als 10 Prozent gestiegen!
Muttern läuft nach ihrem Tanzkurs verschwitzt, aber gut gelaunt zum Auto: Knochen ausschütteln, herrlich! Sie startet den Wagen, da klopft es an die Scheibe. „Hey, kannst du mir kurz mit deinen Scheinwerfern leuchten?“ fragt ihre Tanzkollegin „Mein Auspuff verabschiedet sich gerade, den muss ich kurz fest machen.“
Heute lasse ich meine roten Blumenclips auf der Ablage liegen. Heute nähe ich meinen Knopf nicht an.
Heute schließe ich die Tür hinter mir und lasse mich treiben.
Meine Füße geben den Ton an. Meine Füße meine ich, nicht die Füße auf denen meine Küche steht, obwohl die ihren auch hübsch sind, hübsch verchromt.
„MAMA! Du hast uns jahrelang belogen!“ - „Wie bitte?“ Muttern ist irritiert. „Warum sollte ich?“ Girlie fuchtelt wild mit einer Zeitschrift und dem Hausaufgabenheft vor Mutterns Nase herum.